Julia Carstens
Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium
„Die Kreativwirtschaft ist ein klarer Innovationstreiber im Land“
Die Teilmärkte der Kultur- und Kreativwirtschaft in Schleswig-Holstein sind neben ihrer Wirtschaftskraft vor allem ein wichtiger Innovationstreiber für viele andere Branchen. Julia Carstens, Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, berichtet im Interview, was die Branche so besonders macht.
Die Kultur- und Kreativwirtschaft gilt als kultureller Impulsgeber. Aber wie wichtig ist sie als Wirtschaftsfaktor für Schleswig-Holstein?
Sie hat einen deutlich größeren Stellenwert, als viele denken – nicht nur kulturell, sondern auch ganz klar wirtschaftlich. Allein in der Software- und Gamesbranche, dem Werbemarkt und der Designwirtschaft haben 2023 etwa 2.000 Unternehmen rund 1,16 Milliarden Euro umgesetzt. Das sind rund 44 Prozent des Gesamtumsatzes aller Teilmärkte der Kultur- und Kreativwirtschaft im Land. Diese Märkte sind Treiber der Digitalisierung, bringen Innovationen hervor und verbinden Kreativität mit Technik. Das ist in meinen Augen eine enorme Stärke.
Ein wesentliches Merkmal der Branche ist die sehr kleinteilige Struktur. Schon 2019 gab es in Schleswig-Holstein rund 6.000 Mini-Selbstständige, die zusammen etwa 36 Millionen Euro Umsatz erwirtschafteten. Das zeigt, wie stark wirtschaftliche Aktivität auch jenseits klassischer Unternehmensformen stattfindet. Dem gegenüber standen 6.800 Unternehmen mit einem Gesamtumsatz von 2,4 Milliarden Euro. Besonders umsatzstark war dabei neben der Software- und Gamesbranche der Pressemarkt. Und vielleicht noch eine Zahl: Im Jahr 2023 haben alle Unternehmen – ohne Mini-Selbstständige – einen Gesamtumsatz in Höhe von rund 2,6 Milliarden Euro erzielt. Das sind 200 Millionen Euro mehr als noch 2019. Die Querschnittbranche ist also nicht nur ein Motor für kulturelle Vielfalt, sondern leistet auch einen spürbaren Beitrag zur wirtschaftlichen Stärke unseres Landes.
Was sind aus Ihrer Sicht herausragende Beispiele der hiesigen Kulturwirtschaft?
Zwei Beispiele, die mir sofort einfallen sind das Schleswig-Holstein Musik Festival und das Wacken Open Air. Beide stehen für ganz unterschiedliche kulturelle Welten und beide sind echte Aushängeschilder. Andere Länder schauen hier bestimmt mit Interesse nach Schleswig-Holstein, weil wir zeigen, wie man auch abseits der Großstädte durch kulturelle Qualität wirtschaftliche Dynamik erzeugen kann.
Was macht für Sie die Bedeutung der Teilmärkte Software, Games, Werbung und Design aus?
Vor allem die zentrale Rolle bei der digitalen Transformation – auch wenn sie auf den ersten Blick sehr unterschiedlich wirken. Sie sind technologiegetrieben, denken vom Nutzer her und machen digitale Prozesse überhaupt erst greifbar. Sie entwickeln An-wendungen und schaffen Inhalte – oft im engen Austausch mit anderen Branchen. Fachleute aus Design, Entwicklung und Strategie bringen ihre Perspektiven ein. So entstehen Produkte, die technisch funktionieren, visuell überzeugen und am Markt bestehen können. Ihre Leistungen sind überall gefragt – sei es in der Industrie, im Gesundheitswesen, im Tourismus, oder in der Bildung. Diese Branchen sind nicht nur selbst innovativ, sie ermöglichen erst Innovation in anderen Sektoren. Das macht sie so wichtig. Genau deshalb widmen wir uns diesen Wirtschaftszweigen. Sie sind Treiber für neue Lösungen, neue Geschäftsmodelle und neue Kooperationen – und damit entscheidend für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Die enorme Wirtschaftskraft durfte ich mir dieses Jahr auch live auf der Gamescom in Köln anschauen. Es ist wirklich beeindruckend, was die Branche dort jedes Jahr präsentiert.
„Die Gamesbranche entwickelt nicht nur neue Spiele, sie verändert auch, wie wir lernen, arbeiten und kommunizieren.“
Julia Carstens, Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium
Was genau ist die Treiber-Funktion dieser kreativen Branchen?
Nehmen Sie die Softwarebranche: Sie ist bei uns stark mittelständisch geprägt – etwa 700 Unternehmen entwickeln Lösungen, die oft weit über das Land hinaus genutzt werden. Sie ist das Rückgrat der Digitalisierung und hat in den letzten Jahren – getrieben von etwa künstlicher Intelligenz, Augmented und Virtual Reality, Big Data, Cloud Computing und nicht zuletzt durch die wachsende Bedeutung von Cybersecurity – einen enormen Wandel durchlaufen. Ohne Software gäbe es keine digitalen Geschäftsmodelle, keine automatisierten Prozesse, keine Plattformen, keine Datenanalyse.
Und die Gamesbranche?
Die bringt nicht nur technologische Innovationen hervor, sie macht digitale Technologien auch erlebbar und verständlich. Viele Technologien, die in der Spieleentwicklung zum Einsatz kommen – etwa Echtzeit-3D-Engines, Virtual und Augmented Reality oder Interaktionsdesign – finden längst auch außerhalb der Unterhaltungsindustrie Anwendung. Ein gutes Beispiel sind Serious Games oder Simulationen, die etwa in der medizinischen Ausbildung, im industriellen Training, in der Bildung oder im Katastrophenschutz eingesetzt werden. Sie ermöglichen realitätsnahe Übungsszenarien, ohne dass reale Risiken entstehen. Oder auch das Thema Gamification, also spieltypische Elemente wie Fortschrittsanzeigen, Punktesysteme oder Challenges. Diese Elemente fördern die Nutzerbindung, erleichtern das Onboarding neuer Mitarbeitender, steigern die Motivation im Arbeitsalltag oder unterstützen sogar Verhaltensänderungen etwa im Bereich Gesundheit oder Nachhaltigkeit. Kurz: Die Gamesbranche entwickelt nicht nur neue Spiele, sie verändert auch, wie wir lernen, arbeiten und kommunizieren.


Welche Unterstützung bietet das Land für die Branche?
Wir unterstützen die Kreativwirtschaft auf mehreren Ebenen. Mit unserer Innovationsstrategie „RIS3.SH“ haben wir klare Zukunftsfelder identifiziert – darunter digitale Kommunikation, UX-Design und kreative digitale Dienstleistungen. In diesen Bereichen spielen die Software- und Gamesbranche, die Designwirtschaft und auch Teile des Werbemarkts eine zentrale Rolle. Die Kreativwirtschaft ist also ausdrücklich Teil unserer Innovationspolitik – nicht als Randthema, sondern als aktiver Innovationstreiber.
Ein wichtiges Instrument ist auch das Cluster DiWiSH – Digitale Wirtschaft Schleswig-Holstein. Mit rund 250 Mitgliedern ist es heute das größte Branchennetzwerk der digitalen Wirtschaft im Land. DiWiSH bringt Wirtschaft, Wissenschaft und Politik miteinander ins Gespräch, organisiert Veranstaltungen, begleitet Projekte – etwa zu IT-Sicherheit, künstliche Intelligenz, New Work, digitale Geschäftsmodelle und Transformation oder kreative Technologien.
Zudem können seit 2023 für Konzeption, Prototyperstellung und Produktion von digitalen Spielen Fördermittel aus unserem Landesprogramm Wirtschaft beantragt werden. So stärken wir die wirtschaftliche und technologische Entwicklung der Branche und schaffen bessere Rahmenbedingungen im Land. Darüber hinaus stehen allen Teilmärkten der Kultur- und Kreativwirtschaft selbstverständlich auch unsere branchenoffenen Förder- und Finanzierungsangebote zur Verfügung – sei es für Investitionen, Innovationen, Digitalisierungsvorhaben oder Gründungsprojekte.