Hochzeiten, Musik und große Gefühle
Wie die Wirtschaft Emotionen schafft

TITELTHEMA
Von der Seebühne bis zum Festsaal
Wie die Wirtschaft Emotionen schafft
Das Gut Pronstorf und die Eutiner Seebühne beleben den ländlichen Raum mit Events und Musikproduktionen. Mit überregionalem Erfolg. Was ihr Erfolgsrezept ist und wie sich der Gästeanspruch in den vergangenen Jahren verändert hat.
Von Benjamin Tietjen
Mit präzisen aber flinken Handgriffen schmückt Kathrin Kowalski die runden Tische mit beigen Blumenbouquets, daneben drapiert sie Gläser, Besteck und Servietten. Die aufgestellten Menükarten hat das Team von Kathrin Kowalski eigens für diesen Tag designt. Ein schneller Blick auf die Uhr, gleich treffen die ersten Gäste ein. Vier Hochzeiten stehen an dem Augustwochenende auf Gut Pronstorf im Kreis Segeberg an. Für das Veranstaltungsteam um Kathrin Kowalski, Geschäftsführerin der Pronstorfer Hotel und Event GmbH, zwei anspruchsvolle Tage. Das Ziel: Gäste glücklich machen und Emotionen schaffen. Viel Zeit zum Verschnaufen bleibt nicht, auch die nächsten Wochenenden sind bereits komplett ausgebucht.
Bis zu 70 Hochzeiten organisiert Kathrin Kowalski im Jahr. „In diesem Jahr unterstützen mich zwei Hochzeitsplanerinnen, 18 Festangestellte und 60 Aushilfen. Die Hochzeiten machen unseren Hauptumsatz aus“, sagt Kowalski, die daneben auch Businessevents verkauft. Das Niveau auf dem Gut ist gehoben. „Unsere Gäste gönnen sich bei uns etwas Besonders, dafür kommen sie von Kiel und Hamburg aus angereist“, sagt sie weiter. Für das besondere Erlebnis bietet sie unter der Marke „Gute Events Pronstorf“ vieles. So können die Gäste zum Beispiel aus fünf Festsälen wählen, ihre Hochzeit finanzieren, auf Wunsch Probeessen, und in eleganten Vintage-Zimmern auf dem Gut übernachten.
Aktive Businessevents und gesunde Hochzeiten im Trend
Für das Veranstaltungsteam ein hoher Aufwand, denn die Gäste werden anspruchsvoller, meint Kowalski. „Die Hochzeiten sind immer strenger durchgeplant. Jedes Detail muss stimmen – ob individuelle Kissenbezüge oder farblich abgestimmte Blumen. Alles muss für Fotos und Videos in Szene gesetzt werden. Heute zählt vor allem die Optik“, sagt die Eventplanerin. Der Trend gehe zu kurzen Hochzeiten im kleinen Rahmen, auch vegane oder allkohlfreie Feiern sind im Kommen.
Kowalski hat vor acht Jahren selbst auf dem Gut Pronstorf geheiratet – und fand so zum Job der Eventmanagerin. „Ich fand das Gutsgelände auf Anhieb wunderschön. Gleichzeitig wollte ich raus aus Hamburg und dachte ‘Heiraten auf dem Gut Pronstorf, das geht bestimmt noch besser‘“, sagt Kowalski. Nach einem kurzen Gespräch mit dem Eigentümer des Guts, Graf Caspar zu Rantzau, startete sie eine neue Wunschkarriere.
Falk Christoph Herzog, Geschäftsführer der Eutiner Festspiele gGmbH
Hohe Personalkosten und Regulieren belasten
Als zweites Standbein setzt die Betriebswirtin auf Businessevents wie Tagungen, Workshops und Firmenfeiern. „Vor allem größere Unternehmen kommen regelmäßig zu uns, derzeit viele Banken“, berichtet sie. Besonders beliebt seien Eventpakete, die das Team individuell zusammenstellt. „Viele möchten den Tag aktiv ausklingen lassen. Wir bieten ihnen zum Beispiel Bogenschießen, Trommeln sowie Grillen und Weinproben auf der Gutshofwiese an. Das kommt besonders gut an.“ Hinzu komme das Catering für das Schleswig-Holstein Musik Festival und für die Pronstorfer Weihnacht, die ebenfalls jedes Jahr Menschen nach Pronstorf locken.
Kathrin Kowalski, selbstsicher in ihrer Art, hat mit ihrem Angebot großen Erfolg. Auch überregional. Trotzdem macht sie sich Sorgen. „Die Rahmenbedingungen hier in Schleswig-Holstein für die Eventbranche erleben wir als sehr fordernd“, sagt sie. „Vor allem die Personalkosten machen uns zu schaffen. Der Mindestlohn über 15 Euro, Zuschläge für Nachtarbeit sowie hohe Abgaben wie Lohnsteuer und Sozialversicherungen. Viele Wirtschaftsprüfungen. Alle Kosten steigen, das geht uns an die Substanz.“ Vor kurzem stand zudem der Zoll vor der Tür. „Es gab eine großangelegte Prüfung, die unsere 60 Aushilfen in den Blick nahm. Ich würde mir von der Politik mehr Vertrauen in den Mittelstand wünschen.“
Eutiner Seebühne lockt Gäste aus ganz Norddeutschland
Gut zwei Stunden vor Vorstellungsbeginn herrscht auf dem weitläufigen Gelände bereits reges Treiben. Die ersten Gäste machen es sich vor der Opernscheune mit Snacks und Getränken gemütlich, andere blinzeln in die Abendsonne, lassen den Blick über den Großen Eutiner See schweifen. An dem Abend kommen bis zu 2.000 Kulturbegeisterte an die Eutiner Seebühne, gleich beginnt das Musical „West Side Story“.
Verantwortlich für Programm und Gastronomie ist die Eutiner Festspiele gGmbH. Sie stellt pro Saison zwei Eigenproduktionen auf die Beine, holt für Gastkonzerte namhafte Künstlerinnen und Künstler wie in diesem Jahr Heinz Rudolf Kunze in den Kreis Ostholstein. 2025 locken die Produktionen „Die Zauberflöte“ und „West Side Story“ Menschen aus ganz Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen nach Eutin. Die ausgelassene Stimmung rund um die Bühne gehöre dazu, sagt Geschäftsführer Falk Christoph Herzog.
Echte Emotionen, Verbindung zur Innenstadt
„Die Menschen treffen sich mit Freunden, genießen den Austausch und das Ambiente. Wir erleben, dass der Eventcharakter um unsere Produktionen immer mehr an Bedeutung zunimmt. Das Umfeld muss zur Veranstaltung passen“, sagt Herzog. Für ihn sind Festivals auch ein wichtiges Gegenstück zu Streaming und Handykonsum. „Hier ist alles live und nicht immer alles planbar, denn bei Open-Air spielt auch die Natur eine große Rolle. Da fliegen schon mal Gänse über den See oder die Tribüne, aber das hat einen ganz besonderen Charme.“ Bis zu 80 Musikerinnen und Musiker sitzen im Orchestergraben und spielen jeden Ton live ein. Auch das hebe die Eutiner Seebühne etwa von den großen Musicalproduktionen in Hamburg ab, wo vieles mittlerweile vom Band kommt, meint Herzog.
Von den Eutiner Festspielen profitiert auch die Stadt Eutin. „An den Wochenenden der Spielzeit sind die Hotels ausgebucht und die Restaurants voll. Wir haben sehr gute Rückmeldungen vom Handel. Die Verknüpfung zu der Innenstadt funktioniert“, resümiert Herzog. Er hat 2017 die Geschäftsführung des traditionsreichen, 1951 gegründeten Kulturbetriebs übernommen. Im Gegensatz zu vielen anderen Theaterbühnen im Land sind die Eutiner Festspiele ein marktwirtschaftliches Unternehmen mit saisonal bis zu 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
„Wir finanzieren uns zu 95 Prozent aus Ticketerlösen. Das ist eine Besonderheit, macht uns unabhängig, stellt uns aber auch vor Herausforderungen“
– Geschäftsführer Falk Christoph Herzog
Dritte Eigenproduktion für junges Publikum angedacht
„Wir finanzieren uns zu 95 Prozent aus Ticketerlösen. Das ist eine Besonderheit, macht uns unabhängig, stellt uns aber auch vor Herausforderungen“, sagt Herzog. Bei der Auswahl der jährlichen Eigenproduktionen, eine Oper und ein Musical, klopft er mit seinem Team die Stücke auf Popularität und Spielbarkeit ab. Letzteres sei bei der Naturbühne ein wichtiges Kriterium, da sich das Bühnenbild nicht abdunkeln lässt und regenfest sein muss.
Dass die Auswahl der Stücke beim Publikum ankommt, zeigen die Besucherzahlen: 2017 kamen noch 14.000 Menschen zur Eutiner Seebühne, 2025 werden es rund 65.000 sein. Aktuell arbeitet er daran, eine dritte Eigenproduktion zu entwickeln, die für Kinder und Jugendliche sein soll. „Mit der neuen Tribüne haben wir beste Voraussetzungen für mehr Musik, Schauspiel und begleitende Gastronomie direkt am See“, sagt er. Erst 2024 ist die millionenteure Tribüne eröffnet worden, die im großen Halbkreis über das Wasser ragt. Für 2026 zumindest steht das Programm schon fest. Musikfans können sich auf das Pop-Kult-Musical „Hair“ und die Puccini-Oper „Turandot“ freuen.